Unsere aktuelle Studie taucht tief in die komplexe Welt der Regelungen zur Wasserwiederverwendung ein und konzentriert sich auf eine entscheidende Frage: Wie können wir sicherstellen, dass Aufbereitungsanlagen die Leistungsziele erreichen, die notwendig sind, um Wasser bereitzustellen, das sicher genug für die landwirtschaftliche Nutzung ist? Die Antwort liegt in der Quantifizierung der sogenannten Log10-Reduktion, die misst, wie effektiv die Wasseraufbereitung bestimmte Gruppen von Mikroorganismen entfernt. Da die Log10-Reduktion logarithmisch ist, entspricht eine Log10-Reduktion von 1 einer Entfernung von 90 %, während eine Log10-Reduktion von 4 einer Entfernung von 99,99 % entspricht.
Die EU-Verordnung 2020/741 schreibt vor, dass 90 % der Wasserproben strenge Sicherheitsstandards erfüllen müssen. Aber hier liegt das Problem: Die Verordnung gibt nicht genau vor, wie diese 90 % nachgewiesen und validiert werden sollen. Es fehlen Informationen darüber, wie viele Stichproben analysiert werden müssen oder welche Methode für die Auswertung und Bewertung der Daten angewendet werden soll. Diese Unklarheit hat Wissenschaftler:innen und Betreiber:innen von Wasseraufbereitungsanlagen vor das Problem gestellt, die besten Nachweismethoden zu finden.
Deshalb haben wir nun verschiedene statistische Ansätze untersucht, um diese 90 %-Schwelle zu validieren. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Wahl der Methode erheblichen Einfluss darauf haben kann, ob eine Wasseraufbereitungsanlage die Validierungstests besteht oder nicht. Dies ist nicht nur ein theoretisches Problem – die Konsequenzen sind real. Ein falsch-positives Ergebnis, das eine vermeintlich ausreichende Aufbereitungsleistung suggeriert, führt dazu, dass Wasser genutzt wird, welches nicht den gesetzlichen hygienische Anforderungen entspricht. Ein falsch-negatives Ergebnis hingegen, also ein Ergebnis, das eine unzureichende Aufbereitungsleistung anzeigt, obwohl die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden, könnte zu einem unnötig hohen Aufwand oder gar zur Stilllegung eigentlich funktionierender Anlagen führen.
Um dies zu vermeiden, untersuchte unsere Studie verschiedene statistische Techniken, von einfachen binomialen Berechnungen (z.B. Münzwurf) bis hin zu komplexeren Toleranzintervallen. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile, doch eine Methode stach hervor: Bayes’sche Toleranzintervalle. Diese Methode erwies sich als besonders geeignet und flexibel im Umgang mit realen Herausforderungen, wie ungleichen Stichprobenanzahlen im Zu- und Ablauf, nicht-normalverteilten Datensätzen oder Messwerten unterhalb der Nachweisgrenze im Ablauf der Anlage.
Um diese statistischen Werkzeuge zu testen, sammelten wir über mehr als ein Jahr hinweg Daten aus einer großtechnischen Abwasseraufbereitungsanlage in Deutschland. Dabei analysierten wir Proben auf drei zentrale Indikatoren der Wasserqualität: Escherichia coli (E. coli)-Bakterien, Sporen von Clostridium perfringens und somatische Coliphagen, also Viren, die Bakterien infizieren. Durch die Anwendung verschiedener statistischer Methoden auf diese realen Daten konnten wir beobachten, wie sich die Ansätze unter Praxisbedingungen bewährten.
Eine der spannendsten Erkenntnisse war der Nutzen von Toleranzintervallen. Im Gegensatz zu Perzentilberechnungen, auf Basis von Punktschätzern, die beispielsweise im Badegewässerbereich angewendet werden, berücksichtigen Toleranzintervalle explizit die Unsicherheiten, die sich aus kleinen Stichproben ergeben. Da diese Unsicherheiten berücksichtigt werden, können valide Ergebnisse auch mit kleineren Stichproben erzielt werden – ein Vorteil, der wirtschaftliche Vorteile haben kann, insbesondere wenn die Aufbereitungsleistung die bestehenden regulatorischen Werte deutlich übertrifft.
Was bedeutet das für die Zukunft der Wasserwiederverwendung? Unsere Studie legt nahe, dass Toleranzintervalle als Standard für die analytische Prozessvalidierung in Betracht gezogen werden sollten. Durch die Einbeziehung von Toleranzintervallen in rechtliche Leitlinien kann ein robusterer und flexiblerer Rahmen zur Sicherstellung der Wasserqualität geschaffen und so das Vertrauen in die Wasserwiederverwendung erhöht werden. Dies stellt eine wichtige Grundvoraussetzung für die weitere Verbreitung der Wasserwiederverwendung in der Praxis dar und kann so einen relevanten Beitrag zur Bewältigung von Wasserknappheit leisten.
Die Implikationen gehen jedoch über die Prozessvalidierung hinaus. Die in dieser Studie untersuchten statistischen Methoden könnten auch in anderen Bereichen der Umweltüberwachung und des öffentlichen Gesundheitswesens Anwendung finden, in denen hohe Perzentilwerte zur Festlegung von Qualitätsstandards genutzt werden, wie beispielsweise bei der Bewertung der Qualität von Badegewässern oder der Bewertung der Bewässerungswasserqualität.
Angesichts des zunehmenden Drucks auf unsere Wasserressourcen wird die sichere Wiederverwendung von Wasser immer wichtiger. Unsere Forschung liefert nicht nur praktische Werkzeuge zur Validierung der Leistungsfähigkeit von Aufbereitungsanlagen zur Wasserwiederverwendung, sondern unterstreicht auch die Bedeutung geeigneter statistischer Analysen in der Umweltregulierung. Indem wir unsere Methoden zur Sicherung der Wasserqualität verfeinern, tragen wir nicht nur zur Diskussion über die beste wissenschaftliche Praxis bei, sondern auch dazu, wie eine nachhaltige und sichere Wassernutzung in Zukunft aussehen kann.