Flussökosysteme basieren auf dem komplexen Zusammenspiel physikalischer und biogeochemischer Prozesse. Ein mögliches Hilfsmittel zum Verständnis dieses Zusammenspiels sind Fließgewässergütemodelle (FGM): numerische, dynamische Modelle, welche die Interaktion empirisch bekannter biogeochemischer Prozesse abbilden und eine prozessbasierte Auswertung zulassen. FGM, wie sie im Folgenden verstanden werden, betrachten deterministische, biogeochemische Prozesse, die im Gewässer ablaufen, beispielsweise das Wachstum von Algenbiomasse auf der Grundlage von verfügbaren Nährstoffen und Licht. Sie unterscheiden sich dadurch deutlich von den folgenden Modelltypen, die in diesem Artikel nicht behandelt werden: (i) Rein hydraulische Modelle, welche die Strömung, Wasserstände sowie turbulente Mischung in Fließgewässern berechnen (z. B. das Modell EFDC der amerikanischen Umweltbehörde EPA (HAMRICK 1992) oder das kommerzielle Modell Telemac (GALLAND et al. 1991)). Eine Berechnung des Abflusses ist zwar die Basis aller FGM, wird aber im Folgenden nur kurz für die eindimensionale Näherung beschrieben. (ii) Stoffflussmodelle, welche eine Berechnung der Stofffrachten zum Ziel haben und Hydraulik und Transformationsprozesse im Gewässer nicht oder stark vereinfacht abbilden. Solche Modelle erlauben eine Aggregation von Stofffrachten, die über das eigentliche Gewässer hinausgeht, beispielsweise für gesamte Einzugsgebiete (z. B. MONERIS, BEHRENDT et al. (2000), oder SWAT, NEITSCH et al. (2001)) oder für städtische Wasserkreisläufe (MÖLLER et al. 2008). (iii) Modelle, die multitrophische Interaktionen in Fließgewässern abbilden und dadurch die Auswertung von Nahrungsketten ermöglichen (z. B. WOOTTON et al. 1996). Solche „multitrophischen Modelle“ werden hauptsächlich für akademische Fragestellungen eingesetzt. Im Gegensatz zu FGM betrachten sie ausschließlich die Interaktionen zwischen Spezies ohne Berücksichtigung deterministischer, biogeochemischer Prozesse. FGM koppeln eine hydraulische Modellierung des Abflusses in Fließgewässern mit der eigentlichen Gütemodellierung. Darin sind sie eng verwandt mit Gütemodellen für Seen, die im Artikel III-5.2 „Komplexe dynamische Seenmodelle“ beschrieben werden. Der große Unterschied zur Seenmodellierung ist der Umstand, dass FGM biogeochemische Prozesse in abfließenden Wasserpaketen betrachten. Die einzelnen Wasserpakete sind dadurch weitgehend unabhängig voneinander (abgesehen von der Dispersion, s. Abschnitt 3.2). Zudem beträgt die Fließzeit dieser Wasserpakete selbst in großen Flüssen lediglich Tage bis wenige Wochen. Dadurch ist die Entwicklung der Wasserqualität in FGM meist sehr viel stärker von den Randbedingungen an den oberen Rändern abhängig als bei Seenmodellen. Ein Einfluss der zurückliegenden Wasserqualität ist in FGM über das Sediment möglich, welches durch die meist geringen Wassertiefen ganzjährig einen Effekt auf die Wasserqualität im Fließgewässer haben kann. Wie bei Seenmodellen können Fließgewässer dreidimensional oder in zwei- oder eindimensionaler Vereinfachung simuliert werden. Während dreidimensionale hydraulische Modelle oft eingesetzt werden, gibt es kaum Beispiele von dreidimensionalen Güterechnungen. Neben dem Rechenaufwand verhindern auch der große Bedarf an Messungen für Kalibrierung und Validierung der Modellergebnisse sowie der große Aufwand bei der Datenauswertung einen häufigeren Einsatz. Entsprechend wird in der Folge in erster Linie auf eindimensionale Modellanwendungen eingegangen, also auf Modelle, die eine räumliche Dimension in Fließrichtung und eine zeitliche Dimension umfassen. Die beschriebenen biogeochemischen Prozesse sind aber auf höherdimensionale Modelle übertragbar. In dem folgenden Artikel wird zunächst auf die Ziele (Abschnitt 2) sowie den grundsätzlichen Aufbau von FGM (Abschnitt 3) eingegangen, wobei die Abbildung biogeochemischer Prozesse in etwas größerer Tiefe beschrieben wird. Danach wird auf existierende Modellsoftware (Abschnitt 4) sowie praktische Empfehlungen zum Vorgehen bei deren Gebrauch (Abschnitt 5) eingegangen. Zur konkreten Anwendung folgen zwei Beispiele der Modelle QSim und AQUASIM (Abschnitt 6). Da dieser Artikel nur einen groben Überblick über FGM geben kann, wird zum Schluss auf weiterführende Literatur verwiesen, die zukünftige Modellanwender unterstützen kann.