Eine optimierte Abwasserbehandlung führte seit den 1990er Jahren zu stark abnehmenden, kontinuierlich aus Punktquellen in die Vorfluter eingeleiteten Nährstofffrachten (HEINZMANN, 1998, SENSTADT, 2001), wodurch sich die Wasserqualität der aufnehmenden Gewässer Berlins merklich verbesserte. Episodische Belastungen durch Mischwasserentlastungen stellen jedoch weiterhin eine bedeutende Ursache einer herabgesetzten Wasser- und Sedimentqualität und eine der wichtigsten Managementaufgaben für die Berliner Stadtspree und der Kanäle dar (vgl. LESZINSKI ET AL., 2006, RIECHEL 2009). Hinsichtlich des von der EU-WRRL geforderten guten ökologischen und chemischen Zustandes der Binnengewässer bzw. des guten ökologischen Potenzials für stark veränderte und künstliche Gewässer, stellt die Lebensraumfunktion für die aquatischen Lebensgemeinschaften der Berliner Gewässer das wesentliche gewässerinterne Schutzziel dar. Neben dem erheblichem ökologischen Gefährdungspotenzial, das insbesondere von extremen Ereignissen der Mischwasserentlastung ausgeht, reduzieren vorrangig hydromorphologische Defizite (Stauhaltung, Uferbefestigung, Sohleintiefung, etc.) die Lebensraumqualität für die aquatischen Lebensgemeinschaften. Aufgrund der Schifffahrtsnutzung der Berliner Spree und der Kanäle stellen Wellenschlag und Sunk- und Schwalleffekte während Schiffspassagen eine zusätzliche, bedeutende Belastung dar (vgl. LESZINSKI ET AL., 2006). Wie in der Studie „Immissionsorientierte Bewertung von Mischwasserentlastungen in Tieflandflüssen“ (LESZINSKI ET AL., 2007) dargelegt, liegen die in Laboruntersuchungen ermittelten Ansprüche bzw. Toleranzen hinsichtlich der Wasserqualität für die Fischarten und Arten wirbelloser Bodenorganismen der Berliner Spree und der Kanäle in einem vergleichbaren Bereich (JACOB ET AL., 1984, LAMMERSEN, 1997). Die Herleitung von Gütestandards hinsichtlich der Wasserqualität für die Fischfauna schließt somit den Schutz der Lebensgemeinschaft der wirbellosen Bodenorganismen mit ein. Ebenso besteht bei beiden Organismengruppen ein grundsätzlicher, vergleichbarer funktioneller Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Lebensgemeinschaft und der hydromorphologischen und strukturellen Lebensraumausstattung des Gewässers (z.B. SHELDON, 1968, KARR & SCHLOSSER, 1978, MINSHALL, 1984; MINSHALL & ROBINSON, 1998, TANIGUCHI & TOKESHI, 2004). So korrelieren Artenzahl und Diversität beider Organismengruppen höchst signifikant negativ mit dem Ausbaugrad der Ufer. Als Resultat der verschiedenen Belastungen findet sich in der Berliner Stadtspree eine extreme Dominanz von wenigen sehr anspruchslosen, toleranten Arten. Folglich sind Verbesserungen des ökologischen Zustandes und des Besiedlungspotenzials für wirbellose Bodenorganismen und Fische neben der Reduzierung der negativen Auswirkungen der Mischwasserentlastung, vorrangig durch Aufwertung der Uferstrukturen zu erreichen. Strukturelle Aufwertungen der Ufer müssen zusätzlich die hydrodynamische Belastung durch den schiffsinduzierten Wellenschlag berücksichtigen, um einerseits das Besiedlungspotenzial zu erhöhen, andererseits die Ufer vor Erosion zu schützen. Die vorliegende Studie gibt Hinweise auf die Möglichkeiten und Grenzen einer Revitalisierung der Berliner Stadtspree und der Kanäle am Beispiel der Fischfauna, indem sie die wesentlichen Belastungen und deren Auswirkungen skizziert. Potenzielle Maßnahmen zur Aufwertung der Uferstruktur sollten aufgrund der oben angesprochenen sehr ähnlichen Wirkmechanismen zwischenUmweltausprägungen und Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften beiden, wirbellosen Bodenorganismen und Fischen, zu Gute kommen. Zur Beurteilung möglicher struktureller Maßnahmen wird zunächst davon ausgegangen, dass die negativen Auswirkungen der Mischwasserentlastung derart minimiert werden können, dass sie keine akute Beeinträchtigung der Wasserqualität und der aquatischen Lebensgemeinschaften mehr verursacht. Des Weiteren soll beurteilt werden, ob durch solche Maßnahmen ein Lebensraum für Fischarten geschaffen werden kann, die höhere Ansprüche an die Sauerstoffbedingungen im Gewässer haben als die aktuelle Lebensgemeinschaft.